Von Sondalo nach Bergamo
Gefahrene Strecke: 351km
Start um 10:00 Uhr, Ankunft um 22:00 Uhr
Getankt: 64 Liter
Zwei Pausen je „richtiger“ Passspitze, zwei zum CoolDown der Bremsen, zwei Stunden Pizzaessen in Riva del Garda, anderthalb Stunden Wanderung nach Campo di Brenzone, eine richtige Pipipause

Wir starten den Tag wieder in Ruhe, langsames aus dem Zeltkriechen, gemütliches Frühstücken und zusammenpacken der Zelte und des Tarps. Am Vorabend hatten wir 10:00 Uhr als Abfahrt angepeilt und schaffen eine Punktlandung. Offenbar haben wir wieder Routine. Apropos Routine: auch im Auto hat mittlerweile alles wieder seinen Platz. Egal wie sehr man beim Packen einen superklugen Masterplan hatte, am Ende muss sich alles immer ein bisschen zurechtruckeln bis die Dinge, die man immer braucht leicht zugänglich sind und der Ballast den man nur zum Spaß mitschleppt irgendwo in den Tiefen des Raums verschwunden ist und nicht mehr stört. Und da wir am laufendem Band am Gepäckunterbringungssetup schrauben ist jede Tour anders als die davor.

Also, es ist 10:00 Uhr und wir machen uns auf den Weg. Wir verlassen den Campingplatz, bezahlen an der Ausfahrt (der Campingplatz ist nicht bewacht, nur von 8-10 kommt jemand zum Reinigen der Sanitäranlagen und zum Abkassieren) und fahren durch wunderschön malerisch gelegene Bergdörfer. Dabei werden wir das ein oder andere Mal von verrückten Opas in alten Panda 4×4 überholt, geschnitten und bedrängt, die machten selbst vor den Verkehr regelnden Polizisten nicht halt. Ohne das der Polizist mehr als eine ca. 10 sekündige Standpauke hielt. Wir verlassen die kleinen und einsamen Dörfer der Lombardei, einer Gegend die in der ersten Welle von Corona sehr hat leiden müssen. Das hat geprägt, hier tragen die Menschen selbst auf der Strasse flächendeckend Masken. Grobe Zielrichtung ist der Gardasee, wir nehmen aber nicht den graden Weg.

Kurz nach Aufbruch verlassen wir die SP27 und biegen südwärts auf die SP81 ab. Die SP81 ist eine superenge Passzufahrt, beidseitig befahrbar, und führt durch eine ganze Menge klitzekleiner, sich an den Hang pressender Bergdörfer. Keine Passzufahrt zum Ballern, hier ist eher umsichtiges und vorausschauendes, vor allem aber voraushörendes Fahren angesagt. Gar nicht so leicht mit 50 Jahre alter Motortechnik, da fällt einem erstmal auf wie laut der 145 ist.

Letzten Endes stösst die SP81 mit einer anderen Strasse zusammen und ist ab dort der Passo del Mortirollo, ein bei Radfahrer_innen sehr beliebtes Stück Strasse. Immerhin auch Teil des Giro d‘Italia 2020. Entspechend viele davon sind dort unterwegs, aber im gleichen Verhältnis dafür weniger Autos und Motorräder. Insgesamt geht es sehr harmonisch und rücksichtsvoll miteinander zu, das ist auf den großen Pässen völlig anders. Der Pass ist wie die Auffahrt eng, teilweise über längere Strecken nur breit genug für ein Auto, streckenweise auch ohne Randbegrenzungen und führt kurvenreich durch die klassisch abgestufte Berglandschaft: erst Weiden und Wiesen, dann Wälder, dann Buschwerk und tendenziell eher karge Felslandschaft. Die Passscheide liegt bei 1800und ein bisschen, der höchste Punkt jedoch wird unterwegs auf knapp unter 2000 Metern überquert. Durchschnittliche Steigungen von ca. 12% lassen unseren Volvo zwischen dem zweiten und dritten Gang bei irgendwas zwischen 30 und 70 springen, streckenweise war aber auch der erste Gang und maximal 15km/h nötig und möglich.

In Monno endet der Pass und aus irgendeinem Grund landen wir nicht direkt auf der SS42 sondern drehen eine Ehrenrunde durch die engen Gassen des bezaubernden mittelalterlichen Örtchens. Wir folgen der SS42 bis Breno und biegen wieder südwärts ab. Diesmal folgen wir der SP345, dem Passo Croce Domini, bei der Anfahrt der SP669. Wieder viel Wald und Wiesen, am Amfang eine breite Strasse mit größeren Dörfern als auf dem Pass vorher. Nach oben hin wird die Strasse aber immer enger, gegen Spitze befahren wir wieder eine maximal ein Auto breite Asphaltpiste am Berghang. Nur um ein kurzes Stück wieder bequem breit für Verkehr in beide Richtungen zu sein. Un dann wieder supereng zu werden.

Auf der Spitze werden wir von alpinen Anblick umgehauen. Wieder phänomenales Alpenpanorama, so langsam gehen mir die Wörter für die Begeisterung ob dieser Bilder aus. Wir haben immer mehr das Gefühl, die Alpen wirklich zu erfahren. Matthias stecken die Serpentinen in den Schultern und Oberarmen und dank des wunderschönen aber sehr dünnem Lenkrad auch in den Fingern. Bei den hohen Temperaturen zeigen sich die Vorteile von Fahrerhandschuhen aus Leder auf dem dünnen Bakelitlenkrad nur zu deutlich. Mit schweißigen Händen wär die Kurverei sicherlich deutlich unsicherer. Zwar ohne Anziehsachen aber dafür mit deutlich mehr Gefühl wird pedaliert: sowohl E30 als auch 145 kommem in den Genuss feiner Füsseleien, erst das ermöglicht die Technik „dicker Bremszeh und Fussaussenkantengas“ für schnelles Schalten in steilen Kurven.

Dem Passo Croce Domini folgen wir gefühlt endlos, von Breno bis Pomte Caffaro sind es knapp 50 Kilometer alpines Bergfahren. Eine Pause haben wir uns am Fuss erst einmal verdient. Von dort aus fahren wir durch das Valle di Ledro, die umliegenden Berge sind bereits die Gardaseeberge. Dabei queren wir noch den Passo Alpora, der zwar formal ein Pass ist, in unserem Fahrtenbericht nichts zu suchen hat. Ohne Schild hätten wir ihn noch nicht einmal bemerkt.

Aus dem Tal fahren wir nach Riva del Garda, ein Wunsch von Matthias. Seine Anschlussfahrt ging an den Gardasee und er hat eine Pizzeria am Hafen in bester Erinnerung. Nun mögen Erinnerung am etliche Jahre zurückliegendes Essen in netter Umgebung romantisch verklärt sein, wir hoffen aber auf gutes Mittagessen. Ohne Umwege finden wir die Pizzeria und essen ziemlich gut und lecker und Matthias erzählt Geschichten aus dem Krieg. Also aus der elften Klasse. Was alte Männer halt so machen wenn man sie lässt.

Über dem See hängt drückend-schwül ein Gewitter, immer wieder tröpfelt es bei knapp unter 30 Grad. Wir entscheiden uns trotzdem für unser Tagesziel, das verlassene Dorf Campo di Brenzone oberhalb von Marniga. Das Dorf ist nur per pedes zu erreichen, ausgewählte Autos mit den Prädikaten sehr klein, sehr geländegängig und sehr schmal schaffen es auch bis da hoch. Micha und Matthias bekommen jedenfalls Eindrücke für ein neues Rallyeprojekt.

Aus diesem Grund, und weil es kein fliessend Wasser dort gibt und weil es dort oben keine wirkliche Arbeit gibt haben die Menschen das Dorf inmitten von Olivenhainen verlassen. Mittlerweile lebt nir noch ein Ehepaar dort oben und bewirtschaftet die Olivenhaine. Die übrigen Häuser verfallen immer mehr. Quasi ein Modellprojekt Dorfsterben. Wir fahren die Via ça Romana unterhalb soweit wie es geht und parken. Von dort aus gehen wir zu Fuss die supersteile Strasse bis zu einem steinigem Fussweg und kommen so bis ins Dorf. Das Wetter bleibt uns wohlgesonnen, wir werden zumindest nicht von oben nass. Dank hoher Liftfeuchtigkeit und Temperatur kleben unsere T-Shirts trotzdem an uns. Ein bisschen erkunden wir das Dorf, machen Fotos und uns dann auf den Rückweg.

Wir haben in dieser Region der Alpen unsere Ziele „abgehakt“, jetzt wollen wir sukzessive Richtung französische Seealpen weiter. Als Ort für die Nacht sprang Bergamo ins Auge, ausschlaggebend zum einen die Nähe zum nächsten Spot und zum anderen die günstigen Preise im Bergleich zu der Region um den Gardasee. Also bitten wir angesichts der mittlerweile fortgeschrittenen Stunde GoogleMaps uns auf Autobahn und Mautstrasse (die haben wir seit Samstag ja vermieden) nach Bergamo zu führen. Kurze Durchsage von der App, irgendwas mit Stau und schon befanden wir uns quasi ungeplant und ungewollt auf der nächsten kleinen Bergstrasse. Und zwar schickt uns GM von der SR249, der südöstlichen Uferstrasse des Gardasees auf die Via Pasola, später Via Fasse und dann SP9. Als wenn es sagen würde „da steht ihr doch drauf“. Tun wir, wir beklagen uns nicht, dieser Ausflug war ein kröhnender Abschluss. Dann endlich Autobahn, Strecke machen und in Bergamo die Autos direkt neben dem gebuchtem Appartment ins Parkhaus stellen, duschen und umfallen. Das war ein langer Tag.

Barfuß fahren ist toll, hab ich im (nicht bremskraftverstärkten) Wartburg auch gern gemacht. Vorsicht aber, das wird von Ordnungshütern nur ungern gesehen, und etwa in Frankreich auch mit teurer Geldbuße belegt!
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Danke für den Hinweis! Auch in Deutschland ja eher eine Grauzone.
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