Von Bergamo bis zum Coccodrillo a Frassino in Callizano
ca. 400 km
Start um 11:00 Uhr, eigenes Fahren bis um 17:00 Uhr, Ende des Tages um 22:30 Uhr
0l getankt
2h Pause in Consonno, eine Pipipause auf der Autobahn
Wir starten in Bergamo ausgeschlafen und fit in den Tag. Auf einem kurzem Stadtbummel frühstücken wir noch und sitzen gegen 11:00 Uhr im Auto und verlassen die Tiefgarage.

Wir fahren nach Consonno, ein Ort in den Bergen zwischen Bergamo und Mailand. Der Ort war ein historisches Dorf, erste Erwähnungen irgendwas im elften Jahrhundert. In den frühen 60er Jahren hat ein Investor das ganze Dorf gekauft, alle Einwohner rausgeschmissen und alles bis auf die Kirche, den Friedhof und ein, zwei weitere damit in Verbindung stehende Gebäude abgerissen. Anschließend hat er dort eine Art Mini-LasVegas gebaut, eine Vergnügungs- und Urlaubsort. Ein paar Erdrutsche auf den Zufahrtsstrassen und ein paar Jahre später gerät das ganze Teil immer mehr in Vergessenheit und am Ende des Tages steht es leer und verfällt.

Der Weg dorthin führt uns erstmal durch die Randgebiete Bergamos, Industriegebiete und Speckgürtel. Wir wälzen uns in einer endlosen Autokolonne über die Hauptstrasse SP342 bei brütender Hitze. Bei Aruno wechseln wir auf die SP72, landschaftlich wird es wieder netter. Die Siedlungsgebiete sind nicht mehr so konzentriert, die durchquerten Orte haben viel historisch-angeranzten Charme. Wir folgen dem Verlauf der Adda bis zum Lago di Garlate, dort biegen auf die SP58/70 in die Berge ab. Endlich wieder eine kleine, schmale Bergstrasse mit scharfen Turns und schönen Ausblicken. Vor uns war beim Abbiegen ein Container-LKW, der Fahrer scheint sich gut auszukennen und außerdem Rallye-Ass zu sein: ohne Stress hängt er uns auf dem Berg ab. Trotz größerem Auto mit deutlich schlechterem Leistungsgewicht. Das er dabei nach und nach seine Ladung (Plastikmüll) verliert scheint kein großes Problem zu sein.

Irgendwann verlieren wir den LKW aus den Augen, wir folgen einer Abzweigung hoch in den Wald. Die Strasse wird deutlich schlechter, riesige Schlaglöcher und Asphaltflickenteppiche reduzieren unser Tempo deutlich. Auch die Natur wächst immer mehr zur Strassenmitte hin. Nach einigen Kehren stehen wir vor einer verschlossenen Schranke. Wir parken am Rand, nehmen etwas zu Trinken mit und machen uns auf den Weg an der Schranke vorbei. Katrin pflegt ihre eigene Challenge alles auf dieser Tour in Flipflops zu machen (auch den steilen Aufstieg am Gardasee hat sie in Flipflops gemacht). Die Strasse macht noch ein paar Kehren, erstaunlicherweise ist der Asphalt hier besser als den Berg hinauf.

Nach ca. 30 Minuten erreichen wir Consonno und werden nicht enttäuscht. Bisschen verrückte Architektur, nicht sehr weitläufig aber ausreichend groß um sich dort lange aufzuhalten. Nach Jahren des Leerstandes viel Zerstörung aber auch tolle Graffitis und trotz allem noch teilweise eingerichtete Häuser mit Inventar. Ein ziemlich verrückter Ort. Wir durchstreifen ihn ca 1 Stunde lang, entdecken Fahrzeugwracks, spekulieren wo Appartments und wo die Shoppingmeile war und schmieden Pläne für die Zukunft des Areals. Denn für schlappe 12 Millionen Euro steht es zum Verkauf.



Letzten Endes machen wir uns irgendwann wieder auf den Rückweg und fahren Richtung Autobahn. Denn heute brechen wir ein wenig mit unserem eigenem Anspruch tendenziell nur Landstrasse zu fahren. Wir wollen noch zu einem zweiten Spot und wir wollen Richtung französische Seealpen um die zweite Hälfte unserer Tour dort zu verbringen. Historische Rallyestrecken, Festungen und Forts wird dort das Motto sein. um dort schnell hinzukommen müssten wir fast einen Tag auf Landstrassen verbringen – oder wir nehmen italienische Autobahnen. Trotz Maut sind diese in teilweise räudigen Zuständen, der Putz und ganze Steine sind in den Tunneln ais den Wänden gebrochen und liegen auf den Seitenstreifen, zur Entlastung von Brücken sind kilometerweit die dritten Fahrstreifen gesperrt. Wir fahren über den wirklich nervigen Ring um Mailand und hängen uns auf die A7 Richtung Genua und spulen dort bei gemütlichen 100-120km/h Kilometer. Bei Genua geht es auf die E25, eine Strecke mit tollen Blicken auf das schier endlose blaue Mittelmeer, durch viele Tunnel und über unzählige Brücken.

Plötzlich ein lauter Schlag im Volvo, als hätten wir einen dicken Stein mitgenommen. Unwahrscheinlich auf der Autobahn, selbst wenn hätte der massive Unterfahrschutz aus Stahl eigentlich jeden Schaden verhindern sollen. Micha hinter uns hat auch nichts gesehen. Dann wieder einige etwas kleinere Schläge und Heräusche als würden Metallschrapnelle von unten gegen das Auto schlagen. Und fast gleichzeitig sehr unrunde Vibrationen in der Karosserie, vor allem aber im Schaltknauf und gefühlt aus der Richtung Hinterachse. Wir halten in einer Nothaltebucht, können optisch aber erst einmal nichts feststellen. Alles scheint an Ort und Stelle, Einschlagspuren sind nicht auszumachen.

Also fahren wir mit Warnblinker und massiven Vibrationen zur nächsten Ausfahrt, dort ist ein kleines Einkauszentrum mit Parkplatz, hier können wir den Volvo genauer und sicherer in Augenschein nehmen als in einer Nothaltebucht. Auf dem Weg fühlte Matthias ins Auto hinein, kurze Analyse mit Micha und Katrin inklusive fachmännischem Diagnosetritt vor den Reifen ergibt zwei mögliche Schuldige: Differential oder irgendwas in der Antriebswelle. Das Differential sieht dicht und unbeschädigt aus, ein kurzer Griff an die Kardanwelle offenbart das Problem: das Kreuzgelenk im Übergang Getriebe/Kardanwelle hat sich aufgelöst. Ein Glück, das es noch so viel Halt hat, dass die Welle nicht auf den Biden gefallen ist. Das hätte nämlich wahrscheinlich das ganze Auto unreparierbar zerlegt. An Ort und Stelle ist das nicht zu reparieren, das Ersatzteil haben wir natürlich nicht dabei, denn, und jetzt kommt der ultraärgerliche Part: alle Kreuzgelenke im Antrieb sind keine zwei Wochen alt. Die originalen waren etwas ausgeschlagen und haben geklopft so dass wir alle für die Alpentour gewechselt haben. Die neuen sind keine Billigprodukte sondern von dem Zulieferer, dem wir am Meisten vertrauen und von einem hervorragendem Mechaniker eingebaut. Wir haben wahrscheinlich einfach das eine Montagsteil erwischt. Sauärgerlich. Also rufen wir den ADAC an, erläutern die Sachlage und bekommen eine seltsame Gegenfrage: „und was wollen sie jetzt von uns?“ Und damit nimmt das Elend seinen Lauf. Die Telefonistin scheint völlig überfordert, muss den Vorgang mehrfach neu anlegen, kriegt die Adresse trotz buchstabieren nicht hin und geht mehrfach in Folge davon aus, wir befänden uns in Deutschland. Obwohl wir ja den Auslandsservice anrufen. Am Ende des Tages bekommen wir die Zusage für einen Abschlepper. Nach weiterem Hickhack bezüglich unseres Standortes erscheint dieser auch, gesteuert von einem ausschließlich italienisch sprechendem Opa. Der lädt den Volvo unmotiviert auf, sichert ihn mit einem Haken an der Abschleppöse vorne und zwei Spanngurten an einem Rad an der Hinterachse. Mehr Gurte hat er nicht. Das er dabei die Edelstahlradkappe verbeult und verkratzt juckt ihn nicht so richtig. Kaum ist der Volvo drauf fährt er los, hätten wir nicht den E30 dabei, hätten wir dumm aus der Wäsche geguckt. Gott sei Dank hatten wir Übernachtungsrucksäcke für eine Nacht bereits gepackt.

Also im E30 hinterher. Wo er den Volvo hinbringen wird wissen wir nicht. Anruf beim ADAC, die konnten das auch nicht so genau sagen, wir dürften aber ein Taxi zum Hotel nehmen. Welchem? Nicht ihr Problem, da wir keine eigene Buchung haben bekommen wir vom ADAC kein Hotel. Wo der Wagen hinkommt? Keine Ahnung, die Abschlepper haben ja meine Nummer, die melden sich schon. Also weiter dem Abschlepper hinterher, mit mulmigen Gefühl da der Volvo auf der Ladefläche hin und her hopst und die Zurrgurte nach kurzer Zeit bereit lose herumhängen. Das Ziel: eine „Verwahrstelle“. So nennt man es in Italien wohl. In unseren Augen ist das ein Schrottplatz. Wieder Anruf beim ADAC, Status ist, wir werden keinen Meter weiter geschleppt und am Freitag kann sich auch niemand das Auto angucken weil am Samstag Feiertag ist. Verstehe einer diesen Zusammenhang. Also lassen wir mit mulmigen Gefühl im Bauch den Volvo inklusive Schlüssel dort.

Und fangen an selber zu recherchieren und finden eine auf alte Autos spezialisierte Werkstatt in weniger als 10 Kilometern Entfernung. Mit denen telefonieren wir, sie haben zwar schon zu aber wenn der Wagen am Freitag um 08:00/08:30 da wäre könnten sie ihn sich angucken, ne Diagnose stellen (die der ADAC für Mietwagengenehmigung etc benötigt) und Ersatzteile bestellen um am Montag dann alles fertig zu machen. Klingt nach einem Plan, den teilen wir dem ADAC mit und bitten dringend darum, das Auto entsprechend dorthin zu schleppen. Das wird uns zugesagt. Zusätzlich schreiben wir selber diesen Sachverhalt dem Kontakt bei der Werkstatt per SMS (das er sie bekommt wissen wir, bei dem ganzen Standorthickhack hatten wir nen GPS-Log dorthin geschickt) mit der Bitte entweder frühzeitig abzuschleppen oder sich mit uns vor acht zu treffen damit wir selber abschleppen können. Das darauf keine Antwort kommt ist fast selbstverständlich.
Inzwischen haben wir bei booking eine bezahlbare Unterkunft gefunden. Unser Versuch, noch einen Campingplatz zu bekommen scheiterte an Preisen (40€ aufwärts ohne Strom und ohne Parkplatz) oder bereits geschlossenen Rezeptionen. Hotels in dieser Region sind deutlich über dem, was wir zu zahlen bereit sind. Also fahren wir etwas ins Hinterland und landen beim B&B „un coccodrillo a frassino“ von Marco Camilli, einem Künstler. Wir geben leider eine falsche Adresse ein, dadurch drehen wir eine extra Runde im Cabrio durch die Nacht, lang genug um den Kopf ordentlich freiblasen zu lassen. Marco begrüßt uns herzlich, organisiert noch, dass die lokale Pizzeria in Callizano uns um 22:00 Uhr noch etwas zu essen macht. Draussen ist noch Dorffest, zur Pizza gibt es italienische Rockmusik live. Nach einer sehr guten Pizza geht es ab ins Bett. Wir schlafen zu dritt in einem Zimmer, das ein Mix aus Kunst, selbstgebautem Mobiliar und Ikea ist. Wir fühlen uns sehr wohl und schlafen nach kurzer Lagebesprechung und Tagesrückblick superschnell ein. So endet dieser Tag zwar ohne richtigen Ausblick und ohne eine Perspektive auf den Folgetag, aber wenigstens mit einem nettem Abschluss



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