Tag 19 – ein halbes Jahrhundert Mobilität

Von Göteborg (Dockyard Hotel) nach Göteborg (Volvo Museum) und zurück

Gefahrene km: 35

Roadtime: 4,5 Stunden

Temperatur: von +2 bis +3 Grad

24l getankt

1x Autowaschpause, 1x tanken, 2,5 Stunden Volvo-Museum

Reparaturen: der Vergaser heilt sich immer noch selbst

Was für ein Tag. Am 01.03.1972 hat unser Volvo 145 Express seine amtliche Erstzulassung bekommen. Genau heute, 50 Jahre später, ist er wieder in Göteborg. Dafür haben wir diesen Roadtrip gemacht (und natürlich weil wir Bock auf einen kleinen Umweg hatten). Zusätzlich hatte heute Katrins Opa Geburtstag, unser Fußball-Fanclub wird zehn Jahre alt (Forza!) und der magische FC spielt im Pokal-Viertelfinale (FORZA!)

Noch bevor wir uns zum Frühstück aufmachen, haben wir einen ganzen Haufen digitaler Glückwünsche für den Volvo 145 Express in den Postfächern. Es ist großartig, wie viele Menschen sich mit uns freuen und an diesem Trip teilhaben. Aber es ist ja auch irgendwie etwas Besonderes: in einer Gesellschaft, in der Autos immer mehr zu einem kurzfristig geleasten Wegwerfartikel verkommen und deswegen konstruktionsbedingt bereits verkürzte Lebenszeiten haben, einen alten Wagen zu pflegen, zu erhalten und ihn für ausgedehnte Abenteuer jenseits der klassischen Eisdielen-Tour oder dem nächsten Lackputzer- und Originalitätsfanatiker-Treffen zu nutzen ist doch schon auch speziell. Man muss es ganz ehrlich sagen: durch den skandinavischen Winter zu fahren ist jetzt kein außerordentliches Abenteuer im totalen Grenzbereich. Immerhin leben Menschen hier ein völlig alltägliches Leben. Dabei aber auf den Komfort und die Sicherheit eines modernen Autos zu verzichten, macht es zu einer besonderen Herausforderung.

Apropos Lackputzen: zwar hat Matthias gestern den Volvo einmal gekärchert, ein Geburtstag erfordert aber doch etwas mehr Wellness. Wir suchen uns einen SB-Waschplatz und hochdruckreinigen, shampoonieren und heißwachsen den Volvo ordentlich. Das Ergebnis ist den Umständen entsprechend okay, wir haben ja noch ein paar Kilometer gesalzene Straßen vor uns. Zu Hause gibt es dann die große Portion Liebe. Aber es reicht, um angemessen rausgeputzt zum 50. den Tag zu bestreiten. Außerdem regnet es das erste Mal auf der ganzen Tour.

Wir fahren durch sehr weniger Verkehr als erwartet durch das Gewirr an Tunneln und Brücken, genießen dabei ein letztes Mal die einfach stur aus rohem Gestein ohne große Verschalung bestehenden Tunnel Richtung Volvo Museum. Dafür queren wir noch einmal die Älvsborgsbron und fahren von dieser direkt in das Hafengelände von Göteborg. Konkret haben wir uns keine Vorstellungen von der Umgebung gemacht, merken aber während wir durch die Industrielandschaft eines Verladehafens fahren, dass wir emotional ein bisschen mehr Romantik erwartet hatten. Ist natürlich rational Quatsch, aber ein bisschen cooler wäre es trotzdem gewesen, zu einem in postkartenmotivischer Landschaft gelegenen Sehnsuchtsort zu fahren.

Aber irgendwie auch stimmig, denn die Vorbereitung dieses für uns besonderen Tages verdient – zumindest in Bezug auf die externe Abhängigkeit – eine sechs. Wir haben seit Juni 2021 auf verschiedensten Wegen versucht (einzig Briefe haben wir nicht geschrieben), mit Volvo Deutschland, Volvo Schweden und dem Volvo Museum in Kontakt zu treten. Wir haben von dem Jubiläum berichtet, von unserer geplanten Tour und die Bitte geäußert, an einem besonderen Ort, zum Beispiel am Fabriktor oder ähnlichem ein Foto machen zu können. Eine Ablehnung wäre für uns völlig okay gewesen, wir haben aber von keiner Stelle irgendeine Reaktion erhalten. Keinen Dreizeiler, keine Textbausteine, nichts. Spätestens auf den SocialMedia-Plattformen ist das ein NoGo unseres Erachtens nach, auch für CustomerExperience ist das eher sauschlecht. Wir wollen unsere Reichweite nicht überschätzen, denn so groß ist sie nicht, aber als potentielle Kund:innen und große Fans der Marke hätten wir uns etwas anderes gewünscht. So sehen wir uns eher in der Haltung bestätigt, keine Neuwagen zu kaufen, sondern alte Autos zu erhalten und zu nutzen.

Direkt vorm Eingang des Volvo Museums sehen wir die gelbe Vespa von Javier. Wir haben ihn und seinen Kompagnon auf dem Weg zum und am Nordkap getroffen. Die beiden Spanier haben einen kleinen Umweg über Finnland Richtung Göteborg gemacht und werden heute Nachmittag die Fähre nach Kiel nehmen. Von dort fahren sie – allerdings nicht mehr auf Vespa-Achse – zurück nach Spanien.

Wir bezahlen unseren Eintritt und suchen zuerst Javier zum Hallo sagen. Er ist bereits ziemlich am Ende der Ausstellung, wir schnacken kurz, erzählen von den jeweiligen Erlebnissen und wünschen uns dann gegenseitig noch eine gute Fahrt. Es sind diese Momente, die Roadtrips zusätzlich auch ausmachen: die Begegnung mit Menschen, der Austausch und das Gemeinsame, einige Zeit auf der Straße zu verbringen.

Anschließend gehen wir durch die Ausstellung, die den Werdegang von Volvo ab der Gründung 1927 und dem Bau der ersten eigenen Autos ab 1928 nachvollzieht. Dafür sind die jeweiligen Fahrzeuge mit kleinen Zusatzinformationstafeln ausgestellt. Die Ausstellung ist nicht vollständig, gerade aus den ersten Jahren fehlen natürlich Fahrzeuge, aber auch in Folge hat die Ausstellung Lücken. Man merkt einfach, dass Volvo lange keine Geschichtspflege betrieben hat, sondern Fahrzeuge als Verkaufsobjekt betrachtet und produziert hat. Viel Raum haben die P1800er, sicherlich eines der beliebtesten Oldtimermodelle von Volvo, ebenfalls Buckel und Amazon sind gut vertreten. 140er gibt es einen Zweitürer, einen Viertürer und einen Kombi, Express oder Sonderfahrzeuge sucht man vergebens. Das irritiert uns. Immerhin ist die 140er Reihe jene Baureihe, die Volvo seine moderne bis heute geltende Formensprache geschenkt hat.

Nichts desto trotz ist die Ausstellung sehenswert. Von absoluten Schätzen und Einzelstücken über sehr seltene Modelle bis hin zu den bekannten Brot- und Butterautos sehen wir einen Haufen wunderschöner Volvos, einige in tollen, im Prinzip neuwertigen Zuständen, andere mit Patina und Gebrauchsspuren. Die Ausstellung endet im Kern mit der Baureihe 850, also Mitte der 90er Jahre, Ausnahme ist ein V40 (bis 2004 produziert) der im Ausstellungspart zum Werk in den Niederlanden steht. In der Prototypen- und Designstudienausstellung stehen ebenfalls einige neuere „Fahrzeuge“.

Im Kern ist die Ausstellung für automobil- und/oder Volvo-interessierte Menschen spannend. Der Fokus liegt auf den Ausstellungsstücken selber, im Prinzip wird hier eine Autosammlung hübsch aufbereitet. Museum im herkömmlichen Sinne ist das Volvo Museum nicht. Firmengeschichte, Zusammenhänge und ähnliches kommt entweder nur kurz oder überhaupt nicht vor. Am Ende stöbern wir durch den Merch-Shop, kaufen ein T-Shirt und einige Postkarten. Auch hier ist die 140er-Reihe unterrepräsentiert, Amazon oder Buckel-Merch brauchen wir aber nicht.

In Ermangelung einer offiziell arrangierten Fotomöglichkeit fragen wir an der Kasse nach der Möglichkeit, wenigstens den Eingangsbereich des Museums für ein Foto nutzen zu können. Die Kolleginnen dort finden das super, eine kommt auch mit raus und fotografiert uns drei beim Anstoßen: alkoholfreien Sekt für uns, 1 Liter feinstes Motoröl für den Volvo. Wir machen noch ein paar weitere Erinnerungsfotos und setzen uns dann ins Auto. Der Wind pfeift hier am Hafen unangenehm und es regnet immer noch. Wir trinken den Sekt auf und lassen ein wenig unsere gemeinsame Geschichte mit dem Volvo Revue passieren. Die Eckdaten sind beeindruckend: ~94.000 km in sieben Jahren, von +2770 m bis -212 m.o.h., von 71° 10′ 21″N bis 41° 20′ 42″N, von -22 bis +43 Grad. Wir sind ein bisschen stolz, all das gemeinsam geschafft zu haben. Und haben Bock auf mehr.

Wir fahren zurück zum Hotel und scheitern dank nachmittäglicher Stunde beim Versuch, in der Umgebung etwas zu Essen zu bekommen. Also nutzen wir das wirklich schlechte Wetter und chillen etwas auf dem wirklich schönen Zimmer, snacken und hängen das erste Mal seit zweieinhalb Wochen ein bisschen durch. Und wir machen das, was man an Geburtstagen von alten Leuten so macht: wir gucken uns Fotos an und erzählen „Weißt Du noch, als wir…“-Geschichten. Gegen Abend machen wir uns noch einmal auf den Weg ins Zentrum, bekommen dort, wo wir eigentlich essen wollen, keinen Tisch mehr und landen bei einer vietnamesischen Fusionküche. Uns schmeckt es und mit vollem Bauch beenden wir den Tag, nachdem wir festgestellt haben, dass wir bei unseren Planungen für Dänemark einen Tag vergessen haben. Der ist uns völlig durchgegangen. Irgendwie haben wir zwei Tage Dänemark anstelle von tatsächlichen drei geplant. Das lässt sich aber heilen, andersherum wäre ärgerlicher gewesen.

2 Kommentare

  1. herzlichen Glückwunsch nachträglich an euren Volvo… der ja fast so alt ist wie ich… manoman. freu mich, euren Trip zu verfolgen. liebe Grüße aus Hennef. Bene

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  2. in Gedanken bei euch –
    zwar ohne alkfreien Sekt,
    dafür aber jetzt mit einem schwedischen Whisky,
    den ich auf euch und euren Volvo spontan geöffnet habe.

    HERZLICHEN GLÜCKWÜNSCH ihr lieben Drei –
    und noch viele viele unfallfreie Kilometer,
    sowie Abenteuer gewünscht!!

    Liebdrück

    Gefällt 1 Person

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