von Malung bis Göteborg (Dockyard Hotel)
gefahrene Kilometer: 506
Roadtime: 9,15 Stunden
Temperatur von -1 über +6 zu +2 Grad
27l getankt
3x Scheibe putzen, 1x Autoputzen für 3,50 €, 3x Pipipause mit 1x Foto, 1x tanken, 1x eine Stunde Nachbarsbesuch, 1x eine Stunde Stefan besucht
Reparaturen: außer dem Vergaser…nix
Das Hotel Lugnet ist ein Überbleibsel feudaler Jagdschlösschen. Im Haupthaus hängen diverse Tierköpfe an der Wand, es stehen wuchtige Möbelgarnituren herum, riesige Kachelöfen in den Ecken. Leider leidet dieses schöne Hotel an einem heftigen Investitionsstau. Das Personal sind Niederländerinnen, die gerade keine Schule haben und mit entsprechender Motivation für die ebenfalls holländischen und nicht vor Ort weilenden Besitzer:innen den Laden schmeissen. Alles ein bisschen auf dem letzten Loch, die Zimmer sind superhellhörig, die Dusche muss erst überredet werden zu laufen. Entsprechend ist das Frühstück überschaubar gut. Entlohnt werden wir jedoch durch eine großartige Aussicht auf den zugefrorenen See hinter dem Haus und ein Vogelfutterhäuschen, an dem sich die Meisen den Bauch vollhauen. Aber nicht nur Meisen kreuzen da auf, wir können mindestens einen Gimpel beobachten. Obwohl er in Deutschland relativ gut verbreitet ist, ist uns bewusst noch keiner vor die Nase geflogen. Und mindestens die Männchen sind mit ihrem leuchtend rosaroten Bauch schon recht auffallend.

Nach ein bisschen Vogelbeobachtung verstauen wir unsere Daypacks im Kofferraum und hängen uns auf die 66/E16. Bei Vandsbro wechseln wir auf die 26 Richtung Skövde. Wir haben uns aus zwei Gründen – mit den Namen Anton und Stefan – dazu entschieden, den Vänern südlich zu umfahren. Der Vänern ist der König der Seen, zumindest in der EU. 5519 km2 Fläche, 150 km lang, 81 km breit und bis zu 106 m tief. In der letzten Eiszeit sogar noch mit eigener Verbindung zum Meer. Auch heute entwässert der Vänern über den Göta Älv ins Kattegat. Der Göta Älv ist inzwischen zum Trollhätte-Kanal ausgebaut und bildet so gemeinsam mit dem Göta-Kanal (zwischen Vänern und Vättern) eine Wasserstraße quer durch Schweden.

Bevor wir bei Vandsbro auf die 26 wechseln halten wir aber noch kurz an einer Tankstelle und nutzen die dortige SB-Waschanlage. Leider hat diese nur einen Hochdruckreiniger und keine Schaumbürste, aber immerhin bekommen wir das Auto auf diese Weise so sauber, dass nicht bei jeder Berührung man selbst direkt wie ein Grubenarbeiter aussieht. Die Straßen sind hervorragend geräumt, größtenteils auch vollständig freigetaut.

Mit der 26 durchfahren wir Lesjöfjors. Menschen mit Benzin im Blut werden jetzt vielleicht aufhorchen, insbesondere für schwedische Automobile steht der Name Lesjöfjors für hervorragende Aftermarket-Federn. Die Lesjöfjors AB im gleichnamigen Ort konnte ihre Unternehmensgeschichte bis auf eine Hammerschmiede aus dem Jahr 1675 zurückführen, wurde selber aber erst 1867 gegründet. Durch die Produktionsstätte wuchs der Ort zu einem kleinen aber lebendigen Wirtschaftsknotenpunkt an der 26 und der Inlandsbahnen. Im Jahr 1985 musste die Lesjöfjors AB Konkurs anmelden, mit dem Schließen der Firma verfiel auch der Ort. Bis heute konnte er sich davon nicht erholen, das bezeugen leerstehende, teilweise zerfallene und in einem Fall sogar abgebrannte Häuser am Straßenrand. Bisher haben wir einen solchen Niedergang in keinem der schwedischen Orte, durch die wir gefahren sind, gesehen. Teile des Unternehmens wurden neu gegründet und produzieren jetzt an anderen Standorten unter dem Dach eines großen schwedischen Industriekonzerns weiterhin Federn verschiedenster Art, primär für den KFZ-Markt als Erstausrüster oder Aftermarket-Anbieter.

Zwischen Kristinehamn und Mariestad läuft die 26 zweitweise gemeinsam mit der E18 und später mit der E20. Wir fahren immer wieder mit Blick auf den eisfreien Vänern – und eis- und schneefreies Land. In der inzwischen rausgekommenen Sonne fällt uns immer mehr freies Land auf. Das Weiß in allen Schattierungen weicht dem Grün und Braun einer post-winterlichen Landschaft. Bis im Prinzip kein Weiß mehr zu sehen ist. Wir folgen der 26 ab Mariestadt weiter geradewegs Richtung Süden und kommen nach Skövde. Kurz bevor wir Skövde erreichen, feiert unser Volvo 145 Express das erste Jubiläum dieser Tour: der Tacho springt auf 200.000. Einen Tag bevor er 50 Jahre alt wird, ist der Volvo endlich warm gefahren.

In Skövde werden seit dem ersten Volvo aus dem Jahr 1927 Motoren für Volvo-Fahrzeuge gebaut. Inzwischen werden dort nicht nur Verbrenner, sondern auch E-Motoren gebaut und das Werk ist seit 2018 die erste klimaneutrale Produktionsstätte von Volvo. Nach Skövde fahren wir aber eigentlich um unseren Nachbarn Anton zu treffen. Er studiert dort zwei Auslandssemester lang und wenn wir schon in der Gegend sind, gucken wir auch kurz vorbei. Wir treffen uns auf eine Cola vor dem Studi-Wohnheim und schnacken ein bisschen. Anschließend checken wir das Volvo-Werk aus, immerhin kommt unser B20 auch von dort. Das Werk ist auf „touristischen“ Besuch nicht ausgelegt, es ist eine ganz klassische Industrieanlage. Großer Parkplatz für die Beschäftigten, Anlieferungsspuren, Werkstor. Nichts um ein vernünftiges Foto zu machen ohne im Weg rumzustehen. Das macht so keinen Sinn, wir fahren weiter.

Bei Borgunda biegen wir auf die 46 ab, in Folge auf die 47, um bei Valeberg auf die 181 zu fahren. Durch diese Streckenführung entgeht uns Trollhättan wo das Saab-Museum steht (das holen wir nach, wir wissen um die Saab-Liebhaber:innen hier!), aber in dem kleinen Ort Floby an der 181 lebt Grund zwei für diese Streckenwahl: Stefan. Stefan hatte auf unseren Hilferuf in der Facebook-Gruppe der Scandinavian Hearse Society reagiert und uns als Erster alle relevanten Infos zukommen lassen. Als er mitbekam, dass wir Richtung Göteborg fahren, hat er uns zu einem Stop bei sich eingeladen. Und dabei Lockmittel eingesetzt: er lebe in einer alten Tankstelle und hätte einige Leichenwagen und andere Autos. Wir freuen uns immer sehr, Menschen kennen zu lernen, die etwas zu viel am Tankstutzen geschnüffelt haben und wenn sie uns dann noch einen Blick hinter ihre Garagentüren anbieten – dann können wir kaum widerstehen. Und Stefan hat definitiv tief gestapelt. Wir besuchen ihn auf seinem Grundstück, einer alten Tankstelle mit Werkstatträumen und Garagen in denen sich diverse Schätzchen verstecken. Draußen steht ein Opel Kapitän Leichenwagen, den in frankensteinscher Manier ein Nissan Diesel Motor antreibt, drinnen liegt ein 59er Cadillac Superior Leichenwagen auf dem Op-Tisch, ein Organspender steht nebenan, ein 64er Flowercar wartet in einer Ecke hinter einem Saab 900 Fließheck und neben zwei Plymouth (einmal Cabrio, einmal Station Wagon) auf Wiederbelebung. Über einer Grube steht ein paarund60er Impala Leichenwagen auf Luftfahrwerk und, und , und…wir lassen uns mit vor Staunen offenen Mündern durch ein kleines Autoparadies führen. Eine Stunde verfliegt wie im Flug und wir hätten noch viel länger bleiben und schnacken können – aber wir haben noch ein paar Kilometer zu fahren. Bevor wir den Rückwärtsgang einlegen und vom Hof rollen, drücken wir Stefan noch die letzte Flasche Jägermeister in die Hand. Vier Stück hatten wir in Hamburg gekauft, zwei gingen als „Bezahlung“ für die erste Hütte drauf, zwei weitere hatten wir als Bestechung/Dankeschön/Besonderes noch an Bord. Die erste der beiden ging an das Team Vespaextreme, die wir auf dem Weg zum Nordkap getroffen hatten, aus Respekt vor dieser Leistung. Und die zweite geht an Stefan für seine schnelle Hilfe.

Anschließend düsen wir auf direktem Weg (also 181, dann E20) nach Göteborg. Unser Hotel ist das Dockyard Hotel, fast direkt unter der Älvsborgsbron. Ein bisschen hatten wir auf ein Zimmer mit Brückenblick spekuliert, haben aber eines mit Blick auf unseren Volvo bekommen. Was auch eine ganz besondere Aussicht ist. Die Älvsborgsbron quert den Göta Älv der hier auch gleichzeitig die Hafeneinfahrt ist. Entsprechend groß ist die Durchfahrtshöhe mit 45 m. Für eine Zweckbrücke mit 6 Fahrspuren ist die Hängebrücke unglaublich elegant, verstärkt wird das durch zwei Effekte: wir überfahren sie in der Dunkelheit, die Beleuchtung ist großartig. Und um aus Norden kommend über sie zu fahren, muss man durch ein absurdes Gewühl aus Tunneln, kleinen Brücken, Autobahnkreuzen und Abfahrten nach links und rechts. Ein wirklich absolut undurchsichtiges Knäul an Fahrbahnen – und plötzlich öffnet sich einladend und frei über den Fluss schwingend diese Hängebrücke. Auge und Orientierung seufzen erleichtert auf, entspannt gleitet man 933 m lang über die Hafeneinfahrt.

Unser Hotelzimmer ist ein Maisonettezimmer in einem alten Hafengebäude und wird für heute UND morgen Nacht unser zu Hause sein. Uns ist bewusst: zwei Nächte an einem Ort und man gehört zum Establishment, aber diesen Kratzer in unserer StreetCredibility nehmen wir für eine ordentliche Geburtstagsparty morgen gerne in Kauf. Bei einem nahe gelegenen Italiener lassen wir die letzten zweieinhalb Wochen noch einmal Revue passieren und überlegen uns den Plan für Morgen.

Und eines muss, nicht so zum Schluss, aber doch jetzt einfach mal gesagt werden: was ist das Internet doch für ein toller Ort. Klar, häufig wirkt es, als bringe das Internet das Schlechteste im Menschen hervor, so viel Häme, Hass, Lügen und Falschheit wie sich hier tummeln. Und trotzdem ist das Internet auch der Ort, an dem man Menschen findet, die man so nie getroffen hätte. Die einem weiterhelfen, Tips geben, einen anfeuern. Digital oder analog. Es ist großartig, Euch (ihr wisst schon wer ihr seid) hier im Internet über den Weg gelaufen zu sein. Und es ist umso toller, wenn das digital irgendwann auch mal analog ist.
Hach,
wie schön geschrieben wieder. ❤
Ich hoffe sehr,
dass die Schweden im August
auch wieder mit dabei sind und
dass ihr neben Stefan auch den Rest
der Truppe kennenlernt,
wenn unsere Wagen an der Ostsee umherfahren und wir uns zum Treffen treffen.
Die Überraschung,
die ich heute für euch am Museum vorhatte, wird leider nix werden.
Es wird leider keinen spontanen Besuch für euch am Museum geben….der „Überbringer“ hatte seine Nachrichten leider nicht gelesen…Und sich gestern Abend zu spät bei mir zurück gemeldet.
Ich wünsche euch dennoch gaaaanz viel Spaß. Genießt den Geburtstag und ausserdem, auf die nächsten 200tsd. Kilometer 🍀🍹♠️
Ahoi vonne Ostsee
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Oh Wattie, wie lieb ist das denn?! Der Wille zählt – wie großartig ist das bitte? Ahoi einmal quer über die Ostsee!
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happy birthday to yoooooh
happy birthday to yoooooh
happy birthday dear old volvo
happy birthday to yooooooooooooh 🌞🌻🌏💫⚡️☀️☃️🎂💚🎉🎊🎈
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Lieber alter Volvo, seit nunmehr zwei Wochen schwirren die Gedanken an Dich durch meinen Kopf. Sie einzufangen, ist mir zuerst nicht gelungen. Dann bekam ich eine Ahnung davon, was uns beide – Dich und mich – so intensiv verbindet. Es ist das Alter. Keine Sorge: ich werde nicht anfangen, Dir meine Zipperlein anzuvertrauen. Und ich werde auch nichts von dem verwenden, was über Dich zu erfahren war in den letzten beiden Wochen. Jedenfalls nicht das offen Sichtbare. Ganz im Gegenteil!!!
Ich bin derzeit an der Betreuung eines Hundes beteiligt, den ich schon ein paar Jahre kenne. Das mit den Hunde- und Menschenjahren hat dann den „Groschen“ (weißt Du noch, was das ist?) bei mir fallen lassen. Du wirst in diesen Tagen 50 Jahre alt. Das ist erstens noch einmal einen herzlichen Glückwunsch wert, aber auch den sorgfältig recherchierten Hinweis, dass Deine „Wirkungsjahre“ auf das menschliche Lebensalter umgerechnet genau mein kalendarisches Alter ergeben. Ja, so ist es: wir sind beide gleich alt.
Als Teilzeit-Optimist in eigener Sache weise ich – übrigens genauso würdevoll wie Du – jegliche unschickliche Nähe zu Altersgebrechen weit von mir. Der Blick auf das Leben und Wirken um mich herum erfolgt gewöhnlich durch einen nervenschonenden Soft-Filter – sofern nicht sehr schrilles Kriegsgeschrei diese Form der „Altersmilde“ empfindlich zu stören und verärgern vermag. Über dieses Thema könnte ich mich jetzt seitenlang empören – tue das an anderer Stelle auch intensiv.
Hier geht es aber darum, was ich von Dir so gerne übernehmen möchte: von „AltersMilde“ kann bei Dir eigentlich gar nicht geredet werden. Dreht man das „M“ um und macht ein „W“ daraus, dann entsteht das Wort „AltersWilde“ – was es ja im Deutschen nicht gibt. „AltersWildheit“ wäre das passende Wort – aber ich bleibe spaßeshalber bei „AltersWilde“.
Während Auto-KollegInnen von Dir – auch solche mit gleicher Profession!! – finalpflegebedürftig und fast schon zu Ausstellungsstücken erstarrt in kalten Hallen ihr Gnadenöl („letzte Ölung“ -:)) erhalten, nimmst Du es auf vereisten Strassen mit ruppigen Schneepisten-Cowboys auf. Lässt Dich sogar von einem solchen chauffieren. Bleibst bescheiden und keineswegs übermütig. Machst auf symbolstarke Weise – aber immer noch sehr sympathisch – auf eine kleine Malaisse aufmerksam, die auch uns Menschen weder fremd noch angenehm ist.
Vielleicht passt auch das Wort „AltersWilde“ nicht richtig? Mit einem richtigen wild-röhrenden Motor- / Abgasrohr-Geräusch willst Du nichts zu tun haben. Glücklicher Weise!!! Trotzdem finde ich Dich und Deine Leistung in unwirtlichen Landschaften und bei widrigen Wetterbedingungen sehr bewunderns- und nachahmenswert. Du bist mein Vorbild für die Lebensgestaltung im Alter!!! Deinem Vorbild werde ich ab sofort nachzueifern versuchen.
Wenn wir uns also demnächst mal begegnen und Du meine neue aufschäumende Tat- und Schaffenskraft wahrnehmen wirst, bitte ich Dich einfach um ein paar bestätigende, ermunternde und ermutigende Anmerkungen von Dir. Einen virtuellen Schulterschlag oder so. Komm bitte nicht gerade dann, wenn ich unter Auslassung von Eingangstür und Treppenhaus gerade an der Fassade hoch zu meinem Zimmern klettere.
Du weißt, dass Du mich innerhalb meiner Dienstzeiten als „Un-Ruheständler“ gerne anrufen kannst, wenn Du etwas auf dem Vergaser oder Auspuffrohr hast.
Danke für Deine „alterswilde“ Leistungsfreude und für das strahlende Vorbild, das Du mir sein wirst
Herzliche Grüße von Andreas
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