Und wieder gilt: das ist der Rohtext den wir zwischen Tür und Angel runtergeschrieben haben, schön wird später gemacht!
Tag 4
Gefahrene Kilometer: 420
Getankt: 48
Nachgefüllt: /
Roadtime: 09:00-23:30
Pipipausen: 4
Start: Prutz (Österreich)
Über: Dolomiten
Ende: Hotel Belvedere (Codriopo, Italien)
In Etappe 4 starten wir mit dem Timmelsjoch (2509m), wieder mit inzwischen bekannter Passroutine: hoch im zweiten Gang und einer Mischung aus Vollgas und ca. 35km/h halten ohne in den dritten schalten zu können, zwischendurch mindestens einmal einen Kühlungsstop einlegen, eher für Mensch als für Maschine, runter dann ebenfalls im zweiten Gang mit Stotterbremse und mindestens ein bis zwei Bremsenabkühlungsstops bevor das Fading zu krass wird. Von dort ging nach Italien (das Timmelsjoch ist Österreichs höchster Grenzübergang und unsere Grenze 7)
Italien empfängt uns mit schlechter Ausschilderung und so landen wir aus Versehen – unser Plan war ja Passreduktion bei der Streckenplanung – auf dem Kaverpass (1745m) und queren die Dolomiten über (ihren höchsten?) den San Pellegrino Pass (1918m). Hier meistern wir auch das bis dato steilste Gefälle, 18% sind eine heftige Ansage und zwischenzeitlich geht uns ganz schön die Düse. Bei all den steilen Serpentinen und Abfahrten gewinnt „fährst Du quer siehst Du mehr“ eine ganz neue Bedeutung und wir sind beeindruckt von den Fahrleistungen zu denen unser 145 fähig ist. Nicht von ganz ungefähr konnte Volvo mit den 142er-Varianten ja auch einige Rallyesiege einfahren. Leider findet das Ganze bei Regen und Nebel statt, die Sicht ist deutlich beschränkt so daß die Landschaften nur umittelbar vorbei huschen. Wir pausieren im Dunkeln an einer Tankstelle im italienischen Nirgendwo, eine von diesen Kreditkartendingern ohne Kassenhäuschen. Team Danex muss kurz den Scheibenwischer reparieren, gleichzeitig ballert superlaute Musik aus den Tankstellenlautsprechern. Wo wir stehen ist alles intakt, direkt daneben ist der zweite Teil der Tankstelle abgefackelt. Ziemlich spooky. Irgendwann wird es dunkel, wir sind irgendwo in Italien und stehen vor einer Strassenvollsperrung. Einzige Möglichkeit ist links abbiegen auf die ausgeschilderte Umleitung, eine Autobahn, oder umdrehen und einen anderen Weg suchen. Lethargie drohte sich kurzfristig breit zu machen als, bevor irgendwer auch nur an jammern denken konnte, eine Frau in ihrem Peugeot hielt, in den strömenden Regen sprang, hektisch winkte, zurück in ihr Auto hopste und in die Baustelle durchstartete. Wir interpretierten das als ein Angebot uns auf den richtigen Weg zu führen und so folgten wir ihr durch den strömenden Regen. Offenbar hatte die Frau es eilig, Colin McRae wäre eifersüchtig auf die Fahrmanöver gewesen. Es ging kurz durch die Baustelle, dann rechts ab über einen Fahrzeugbreiten Weg ins Tal, enge Büsche klatschten gegen das Auto, überall tiefe Pfützen. Es hatte was von Jurassic Park, ob uns ein T-Rex folgte oder am Ende der Strasse der letzte bisher unentdeckte norditalienische Kannibalenstamm auf uns wartete war nicht ganz klar, unheimlich war es alle mal über einen Trampelpfad unter der Autobahn durch Tal zu knallen. Bei Dunkelheit und strömenden Regen. Trotz immer ausufernder Spekulationen wo wir landen werden endet der Weg nach einer Steigung unmittelbar hinter der Baustellensperrung wieder auf der Landstrasse. Von hier geht es flott zum Hotel Belvedere, online vorgebucht, trotz hochtrabenden Namens eher klassische Landstrassenabsteige mittelklassischem Niveaus. Es reicht, wir sind völlig im Eimer und pennen fast unmittelbar ein.
Tag 5
Gefahrene Kilometer: 360
Getankt: 31
Nachgefüllt: 1l Öl, Vergaserdämpferöl
Roadtime: 08:45 – 20:45
Pipipausen: 2
Start: Codriopo, Italien
Über: Predjamski Grad, Slovenien
Ende: Bauernhof bei Gorni Babin Potok (Kroatien)
Wir starten nach einem überschaubar gutem Frühstück. Lustige Sidestory: Matthias ist ziemlich verballert, nimmt sich ein Ei mit zum Tisch ohne zu merken das man sich diese mit dem Heisswasserboiler neben bei und kleinen Drahtkörbchen selber kochen muss. Weil roh. Das versucht ihm die Servicekraft auch mit Händen und Füssen und viel Italienisch zu vermitteln, er ist aber noch neben der Spur und denkt, es ging nur darum ein gekochtes aber kaltes Ei noch einmal vor dem Essen aufzuwärmen. Er mag sein Ei eh lieber kalt und nimmt es mit zum Platz und schlägt (das rohe!) Ei auf dem Tisch auf. Den Rest könnt ihr Euch denken. Ei Nummer Zwei wurde dann gekocht. Gestärkt geht es Richtung Slovenien. Es regnet wieder, die Stimmung ist trotzdem gut. Der Grenzübergang (Grenze 8) ist ein einziges Chaos aus nicht selbsterklärenden Schildern, Baustellenzäunen und Durchbrechbarrieren, Schlaglöchern und fehlender Fahrbahnmarkierung so daß wir auf einer Strasse landen die laut Karte eine Landstrasse, laut Ausschilderung wenn man auf dieser ist aber eine Autobahn ist. Also die nächste Abfahrt wieder runter und über Landstrassen zur Höhlenburg Presjamski Grad. Cooles Ding: eine natürliche riesige Felshöhle in die eine Burg gebaut wurde. Sehr fett, jedenfalls von außen. Zu mehr reicht es nämlich leider nicht, die Zeit sitzt uns ziemlich im Nacken. Auf den Strassen ist kaum Strecke zu machen, man wird die ganze Zeit von Ortschaften und/oder schlechten Strassenbedingungen eingebremst. Also von außen draufgeguckt, Roadbookaufgabe gemacht und weiter geht die wilde Fahrt. Endlich finden wir auf der Strecke runter an die Adria Zeit für eine Morgenroutine die sich eigentlich auf dem BSC als hervorragend etabliert hatte: Knieschnittchen. Knieschnittchen werden während der Fahrt auf den Knien geschmiert und gegessen. Zeiteffektiv da das Frühstück so beim Streckemachen stattfindet. Dafür muss der/die Co-Pilot_in allerdings ca. eine halbe Stunde nicht mit Navigation und Fahrer_innenassistenz (Strecke und Verkehr mit beobachten und ggf. ansagen)beschäftigt sein. Die Tage vorher war das nicht wirklich möglich, umso mehr freuen wir uns über diese liebgewonnene Mahlzeit. Durch Slovenien machen wir etwas Strecke, tatsächlich fliegt auch dieser Tag schnell vorbei.
Der Grenzübergang nach Kroatien (Grenze 9) ist ein richtiger Grenzübergang. Mit Schlange stehen, Passkontrolle und übellaunigen Menschen in Uniform. Hier zeigt sich spürbar wie nervig Nationalstaaterei ist. An einer willkürlich und meist ja durch bewaffnete Konflikte gezogenen Linie grenzen sich Menschen von anderen Menschen ab und schaffen ihren identitäten Selbstbezug. Nervig beim Reisen, erst Recht nervig weil sich daran Abschottung, Besser- und Schlechterstellung manifestieren. Grenzen werden uns in den nächsten Tagen begleiten und wir werden keine Freund_innen mit ihrer Einrichtung und dem wofür sie stehen.
Unser Tag endet spontan bei Gorni Babin Potok. Wir sind auf dem Weg zum Nationalpark Plitvicker Seen in Kroatien und es wird zusehends dunkel. Wir entscheiden uns für eine Hotelsuche entlang der Strasse, es kommt aber keins, dafür ein Hinweisschild an einem Bauernhof auf Gästezimmer. Wir halten, der Preis für Zimmer und Frühstück ist okay, die Zimmer supersauber und neu eingerichtet. Also schlagen wir zu. Betrieben wird der Bauernhof von einer Frau mit ihrem Sohn, er ist im Dorf Fussball gucken. Es ist der Abend, an dem Kroatien im Halbfinale der WM England besiegen wird. Die Frau bietet uns an, mit ihr in ihrer Küche mit feuerbetriebenem Herd Fussball zu gucken, wir quatschen auf Deutsch und zeigen ihr das Roadbook und was wir machen. Sie serviert uns selbstgemachten Schafskäse und erzählt ein wenig von ihrem Betrieb. Supernett, total gastfreundlich. Das ganze in einem sehr ruralem, in der Immobilienanzeige würde etwas von rustikal-bodenständig stehen, Umfeld. Als wir hielten hätten wir das nicht erwartet. Ein Beweis mehr für die Schubladen in unseren Köpfen. Und etwas, was diese Art des Reisens auch so besonders macht: man kommt an seine eigenen Grenzen, kann diese testen und verschieben und die eigenen Bilder im Kopf reflektieren und korrigieren. Und wieder etwas gnädiger mit der Menschheit allgemein sein. Bitter nötig in dieser Zeit wo gefühlt alle egoistischer und aggressiver werden.