Am 11.06.2021, mit knapp15 Monaten Pandemie und den damit damals verbundenen Einschränkungen in den Knochen, hat Matthias gemeinsam mit Micha (hier auf dem Blog bekannt vom Baltic Sea Circle 2016 und Lost in the Alps 2020 sowie einem Gastauftritt während der 20 Nations 2018) eine Entscheidung getroffen: es wird in harte Verhandlungen mit den Arbeitgeber:innen gegangen und irgendwie zwei Monate freie Zeit für 2023 rausgeholt. Nicht einfach so sondern um die Mongol Rally zu fahren. Untertitelt mit „motoring stupidity on a global scale“ ist der Start der Mongol Rally irgendwo bei Prag und das Ziel in Ulan Ude, Russland. Dabei geht es durch über den Balkan, durch die Ukraine, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, den Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan, Kasachstan, Russland und die Mongolei. Zumindest war das damals der Plan, heute ist die Welt eine andere.
Mit Bestätigung der Anmeldung stiegen Micha und Matthias in erste Überlegungen für ein geeignetes Auto ein denn obwohl die Garagen voll sind findet sich in diesen kein regelkonformes Auto. Und das, obwohl die Regeln sehr überschaubar sind – es ist nämlich nur eine. Das Auto darf nicht mehr als einen Liter Hubraum haben, toleriert werden Abweichungen bis maximal 1200ccm. Wer sich den Spaß macht, und bei gängigen Suchportalen einen adäquaten Anschaffungspreis und 1200ccm Hubraum als Suchkriterien eingibt, wird eine fast unendliche Zahl an möglichen Autos finden. Es musste also weiter selektiert werden. Schnell waren sich die beiden einig, dass sie etwas Altes möchten. Einfach weil neuere (und „neu“ ist gefühlt alles ab paar-und-90er Baujahr) Autos nicht so ganz unser Ding sind. Und sie mit diversen elektronischen Bauteilen unter Umständen auch schwieriger on the go zu reparieren sind. Also ein Auto, das so alt ist, das es nach Möglichkeit keine Steuerungselektronik hat. Ergo ein Vergaser im besten Fall. Es soll bezahlbar sein, irgendwie robust, vielleicht ein bisschen special und es soll in unserer Sympathieskala so niedrig angesiedelt sein, dass wir die zu erwartenden Strapazen auf den „Strassen“ Zentralsasiens ohne große Sorge dem Auto auch zumuten.

Mit diesen Suchkriterien stolperten Micha und Matthias über einen Moskwitsch 408, erste Serie. Nicht allzu weit entfernt guckten sich die beiden den Wagen an, Karosserie war in gutem Zustand, der Lack richtig schlecht, der Motor lief gut, der Wagen fuhr sich okay. Hatte TÜV, war zugelassen und bezahlbar. Und die Ersatzteilversorgung und Reparaturfähigkeit sollte in ehemaligen Ländern der UDSSR auch drin sein, immerhin war das ja quasi der Heimatmarkt des Herstellers. Lediglich das Probesitzen verhinderte den Kauf, das Auto ist in jeder Dimension schlicht und ergreifend zu klein gewesen. Regelmäßiges Kopfanschlagen garantiert. Im weiteren Verlauf tauchte ein Fiesta Baujahr 1978 auf. Etwas wüstes Lackkleid das definitiv noch geändert werden muss, Dachträger, Safari-Stossstangen (mit Strassenzulassung, man glaubt es kaum), akzeptabler Zustand, 0,9-Liter-Motor mit mächtigen 40PS. Das Auto überzeugte und wurde am 10.07.2021 gekauft und abgeholt. Verkäufer des Fiestas war Frank, ein Fiesta-Aficionado, der ein paar wirklich schicke Teile neben einigen eingelagerten Ersatzteilen in der Garage stehen hat, in der Fiesta-Welt gut vernetzt ist und von unserer Idee so begeistert ist, dass er uns spontan weitergehende Hilfe anbietet und ein Ersatzteil- und Literaturpaket in den Kofferraum legt.

Am 14.07.2021 machen wir eine erste Probefahrt im strömenden Regen. Was wir zu dem Zeitpunkt nicht wissen ist, dass wenige Kilometer entfernt der Regen zu einer riesigen Katastrophe führt und das Ahrtal und angrenzende Regionen völlig zerstört wurden. Der Fiesta, ab diesem Tag Foffi genannt, schlug sich tapfer, lediglich der Vergaser zickte hart rum. Fiesta-Frank bekam das mit und schickte umgehend einen Ersatzvergaser, einen Weber-Vergaser, seiner Meinung nach deutlich pflegeleichter als der Originalvergaser. Der wurde auch recht umgehend montiert, der Motor lief deutlich geschmeidiger und vor allem ohne Choke und ständiges Ausgehen. Anschließend geschah erstmal wenig. Arbeit, andere Projekte und Ablenkungen sorgten dafür, dass Foffi, dessen Kofferraum vollgepackt mit Ersatz- und Anbauteilen war, erst einmal trocken und gut verstaut in einer Halle stand.
Mitte 2022 nahmen die Beiden das Projekt wieder auf, Foffi brauchte einen frischen TÜV um anschließend größere Umbauprojekte (sowas wie eine Höherlegung zum Beispiel) in Angriff nehmen zu können. In diesem Zuge nahm sich Andreas von der Wagenwerkstatt etwas Zeit und ging mit Matthias gemeinsam den Wagen systematisch durch. Dabei wurde leider ein riesengroßes ABER festgestellt: der Motor hatte auf Zylinder 2 und 4 kaum Kompression. Die weitere Diagnose offenbarte: Zylinder 2 krankt an defekten Ventilen, Zylinder 4 an defekten Kolbenringen. Mögliche Therapie: eine Generalüberholung. Oder alternativ der Wechsel des Triebwerkes. Da Möglichkeit 1 den finanziellen Rahmen sprengt starteten Micha und Matthias nach einer Motorsuche und dachten zwischenzeitlich sogar über den Kauf eines zweiten Fiestas als Spender nach. Rettung kam von Fiesta-Frank der noch einen Ersatzmotor auf Halde hatte. Der wurde irgendwann mal aus einem Unfallfahrzeug mit 68.000km ausgebaut und seitdem war er eingelagert. Und es ist ein 1,1-Liter-Motor mit 50PS, also eine Leistungssteigerung um 25%.

Letztes Wochenende sollte beides dann zusammen kommen. Zwei Tage wurden dafür geblockt und unter zu Hilfenahme eines Gabelstaplers, eines Hubwagen, eines 80-to-Deckenkran und eines Ratschengurts, einer Auswahl an Schlüsseln, Nüssen und anderem Werkzeug sowie einer 1,5-Meter-Brechstange ging es dem alten Triebwerk an den Kragen. Um das Vorhaben nicht völlig unstrukturiert anzugehen, lagen mit „So wird´s gemacht“ und „Jetzt helfe ich mir selbst“ zwei Standardwerke für ahnungsloses Selberschrauben bereit. Beide waren sich einig: der Motor muss mit angeschraubtem Getriebe komplett nach unten aus dem Foffi raus. Die Vorbereitungen oben rum waren recht überschaubar: Batterie raus, eine Handvoll Kabel und Züge ab, Spritleitung trennen, Kühlerflüssigkeit ablassen und Kühlerschläuche trennen, Auspuff vom Krümmer lösen und die Verschraubung des (einen!) oberen Motorlagers lösen. Erstaunlicherweise ließen sich alle Verbindungen (zwar teilweise mit etwas Nachdruck) lösen, alles wurde ordentlich sortiert und beschriftet. Mit dem Gabelstapler wurde der Wagen hoch genommen und der Auspuff komplett demontiert und abgenommen. Der hintere Teil und insbesondere der Schalldämpfer sind komplett durch gerostet, Frank hatte beim Kauf ein entsprechendes Austauschteil in den Kofferraum gelegt. Eigentlich nur geschraubt war die Verbindung hier aber so festgegammelt, das der Wechsel nur mit der Flex möglich war.
Jetzt kam der herausfordernde Teil: die Antriebswellen mussten aus dem Getriebe gezogen werden. Dafür mussten die Lenkstangenköpfe ausgepresst und die Querlenker komplett gelöst werden. Zum endgültigen Ausziehen empfahl die Schrauber-Literatur unisono die Reifen nach außen zu ziehen und einen stabilen Schraubenzieher in einem bestimmten Winkel am Gleichlauflager anzusetzen und mit „ein paar kräftigen Schlägen mit dem Handballen auf den Schraubenzieher“ die Antriebswelle aus dem Getriebe zu lösen. Trotz aller Bemühungen – es bewegte sich nichts. Nach ungezählten Versuchen kam der Verdacht auf, man missinterpretiere die Zeichnungen in den deutlich in die Jahre gekommen Schrauber-Hilfen und deswegen wurde die Schelle der Achsmanschette gelöst. Im Nachhinein ein völlig überflüssiger Move. Es brauchte einfach etwas mehr Kraft. Der Schraubenzieher wurde durch eine 1,5-Meter-Brechstange ersetzt, die kräftigen Schläge mit dem Handballen durch stabilen Oberkörpereinsatz und schon löste sich alles wie gedacht. Die Antriebswellen sicherten Micha und Matthias zur Karosserie hin gegen Verbiegen, ein Hubwagen mit kleiner Palette sollte den Motor absenken. Dafür mussten nur noch die vier Schrauben des quer unter dem Motor verlaufendem Träger gelöst werden und tatsächlich löste sich mit etwas Geruckel und Geschiebe der Motor nach unten und konnte abgelassen werden. Was Micha und Matthias nicht bedacht haben: wenn ein Auto mit Motor auf einem Gabelstapler stabil liegt so wird ein Auto ohne Motor etwas hecklastig. Foffi tat den Beiden den Gefallen und schmierte nicht ab, dafür war er zu gut austariert, allerdings wackelte er ein bisschen leichter. Den Rest des Samstag verbrachten Micha und Matthias damit, alle Anbauteile inklusive Getriebe vom alten Motor abzubauen und an den Austauschmotor anzubauen. Am späten Abend stand der Block einbaufertig neben Foffi.

Ausgeschlafen und mit einem ordentlichem Frühstück im Bauch ging es Sonntagmittag an den Einbau. Die Schrauber-Bücher waren sich auch hier einig und verschwendeten keine Druckerschwärze auf lange Beschreibungen: alles was Du beim Ausbau gemacht hast, machst Du jetzt in umgekehrter Reihenfolge. Gesagt, getan. Und schon das erste Problem: beim Ausbau lösten wir den mit einem Hubwagen angehobenen Motor und ruckelten ihn dann nach unten raus. Jetzt musste der Motor wieder so positioniert werden, dass die Verschraubung deckungsgleich ist. Und auch wenn der Motor klein ist, so wiegt er durchaus etwas. Es ist schlicht und ergreifend nicht möglich, den Hubwagen so zu positionieren, dass alles von Anfang an sitzt und es ist auch nicht möglich, den Motor im Motorraum in Position zu schieben. Die Lösung: der 80-to-Deckenkran, der in der Halle zufällig montiert ist. So wurde der Motor mit dem Hubwagen von unten in den Motorraum gehoben und den letzten Zentimeter vom Kran angehoben. Der Hubwagen blieb als Sicherheit aber stehen. Oberes Motorlager passt, vordere Verschraubung sitzt, hintere Verschraubung ist um 2-3 cm verschoben. Rütteln und Zerren half nicht, kurze Ratlosigkeit, doch dann lösten Micha und Matthias das Problem unkonventionell. In der Halle steht ein Autohänger, dieser hat natürlich Ratschengurte zum Sichern der transportierten Fahrzeuge. Diese Ratschengurte sind sehr lang, haben Haken an beiden Enden und sind ordentlich stabil. Mit einem davon wurde der Motorträger in Position gezogen: ein Haken an den Träger, der andere an eine Traverse des Deckenkrans, vorsichtig geratscht und nach ein, zwei Versuchen saß alles in Position und der Motor war fest verschraubt. Die Antriebswellen wieder in Position geschoben und festgeklopft, die Teile von Aufhängung und Lenkung wieder verschraubt und schon stand Foffi wieder auf eigenen Füßen (Spoiler: wir haben etwas relevantes vergessen, 100 Gummipunkte für die/denjenigen, der/die es jetzt schon weiß).

Dank ordentlicher Beschriftung waren alle Stecker und Schläuche schnell an Ort und Stelle und die große Frage konnte beantwortet werden: ist der neue Motor gut? Zündung gedreht und es klackt im Anlasser – mehr aber auch nicht. Ratloses Kopfkratzen und dann systematische Fehlersuche mit schneller Lösung: das Massekabel war nicht ordentlich am Block angeschlossen. Das wurde nachgeholt und schon dreht der Anlasser. Es orgelt und orgelt, zündet aber der Motor zündet nicht. Wieder systematische Fehlersuche: Sprit kommt an, Zündfunke ist da, Luft ist da, schnell die Kompression gemessen (zwischen 10,5 und 12 bar). Eigentlich müsste irgendwas passieren. Erneute Ratlosigkeit, wiederholtes Durchdeklinieren was ein Motor zum Starten braucht bis zur Erkenntnis: nicht nur Sprit, Luft, Zündfunke und Kompression werden zum Zünden benötigt sondern auch ein gutes Timing. Und das haben wir beim Ausbau des Zündverteilers wahrscheinlich radikal verstellt. Beherztes Drehen am Verteiler behebt diesen Fauxpas, jedenfalls soweit, dass der Motor zündet. Jetzt fällt uns das vergessene, relevante Teil auf: wir haben den Auspuff nicht montiert, wegen der völlig verstellten Zündung knallen aus dem offenem Krümmer dicke Flammen raus. Also Foffi wieder auf den Stapler und den Auspuff montiert.

Anschließend war die Luft raus. Und der Sonntag schon gut fortgeschritten. Also kam der Foffi wieder in seine Ecke, die Halle wurde aufgeräumt und sauber gemacht und der Feierabend eingeläutet. Was derzeit noch fehlt sind diverse Dichtungen und anderer Kleinkram sowie eine vernünftig eingestellte Zündung. Das scheint vor dem TÜV-Termin noch machbar zu sein, das Monsterprojekt ist erledigt: Foffi hat ein neues Herz.
Hach, watt herrlich. Hab ich gerne gelesen, konnte relativ gut folgen und freue mich schon drauf, wenn’s weiter geht.
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